Mit dieser quälenden Frage danach, was die eigene Berufung ist, bin ich mit einem Coaching-Gast im Saarbrücker Urwald unterwegs gewesen. Der Weg scheint vorgezeichnet für die Niederlassung mit einer eigenen Kanzlei, aber er „scheut wie ein Pferd vor einem Hindernis“. Die Gedanken drehen sich im Kreis und es scheint keine Lösung in Sicht. Recht schnell wird klar, dass es die Kanzlei nicht ist, aber was ist es dann?
Nachdem wir flott losgelaufen sind, bleiben wir immer wieder stehen, stellen fest, wie viele verschiedene Vögel jetzt schon singen und lauschen der Sinfonie des kleinen Baches. Wir kommen aus dem Kopf ins Wahrnehmen, alle beide, immer mehr. Das ist das Ziel, denn denken verhindert fühlen. Und mit dem begrenzten Verstand werden wir keine Lösung finden. Die weiß aber ganz sicher der Körper, das Unterbewusstsein.
Inzwischen ist immer klarer, welche Szenarien sich überhaupt nicht gut anfühlen und garantiert nicht in Frage kommen. Aber das Bild für die einzig wahre, authentischeZukunft erscheint nicht klar. Erst die Frage, was meinen Gast davon abhält, freudig und konkret in die Zukunft zu schauen, bringt den entscheidenden Wendepunkt. Zufällig sind wir auch auf unserer Runde durch den Wald an der äußersten Kehre angekommen, dort wo die Brücke über den Bach geht und wir den Rückweg auf der anderen Seite antreten können. Wir bleiben auf der Brücke stehen und da taucht es auf, das Gefühl, das meinen Gast daran hindert, frei nach vorne zu schauen. Plötzlich ist es ausgesprochen, mit einem Blubb ist der Knubbel im Bauch, an dem alles Fortkommen wie festgebunden scheint, ausgesprochen. Ein Schauer läuft mir rauf und runter über den Rücken und zeigt mir: Das ist es! Sorgfältig haben wir diesen Moment vorbereitet, indem wir uns immer weiter vorgewagt haben in das Innere, zur Wahrheit, die bis dahin nicht ausgesprochen werden durfte. Aber die Schale wurde immer weicher durch die Weite der Natur und ihre unendliche Güte und Neutralität. Und jetzt liegt es ganz offen vor uns und kann, allein dadurch, dass es angeschaut wurde, aus dem System verschwinden. Ich bitte meinen Gast, dieses negative, bedrückende und einengende Gefühl in sich aufkommen zu lassen und dann kraftvoll in einen Stock zu pusten, den er mit Schwung hinter sich wirft. Befreit kann er nun über die Brücke gehen und seinen innersten Zukunftswünschen ungehindert Raum geben.
Den ganzen Rückweg über sprudelt es nur so heraus. Und ja, es fühlt sich genau richtig an, in diese neue Richtung zu schauen und alle Qualitäten und Vorlieben bei der Wahl der neuen beruflichen Aufgabe zu berücksichtigen, statt in den engen, begrenzten Vorstellungen einer Kanzlei zu bleiben. Die Basis für eine Karriere, die meinem Gast voll und ganz entspricht, und mit der er sehr erfolgreich sein wird, ist gelegt.
Am Ende unseres Weges setzen wir uns mit einem Tee auf eine Bank am noch gefrorenen See und fassen zusammen. Was ist jetzt der eine, nächste, wichtige Schritt? Es wird nicht einfach werden und braucht Mut, aber es ist ganz klar, in welche Richtung es geht.
Unser Blick fällt auf die Eisfläche, auf der zwei runde, klare Eisformationen liegen. Wie kann das sein? Es ist ganz klar: Das hier ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass Unmögliches möglich wird.
Inzwischen ist es fast dunkel geworden. Die schmale Sichel des Mondes leuchtet zwischen den Baumkronen der Erlen hindurch. Wir vereinbaren, dass wir uns „in einem Mond“ wieder sprechen werden und darüber austauschen, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen ist. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis die Erkenntnisse dieses Blitzcoachings gesackt sind und die Kraft und Klarheit für die Umsetzung des nächsten Schrittes daraus hervorgeht. Aber ich bin ganz sicher, dass wir an diesem Nachmittag die Basis für ein erfülltes und glückliches Leben gelegt haben.